Profil und Ziele

Die Arbeitsgemeinschaft Philosophische Literatur – Literarische Philosophie widmet sich der facettenreichen wechselseitigen Beziehung zwischen Philosophie und Literatur in der Antike und ihrer Rezeption bis in die Gegenwart.

Die Frage nach dem Verhältnis von antiker Philosophie und Literatur lässt sich ausbuchstabieren als spannungsreiches Beziehungsgeflecht: Erstens finden sich vielfältige thematische Überschneidungen. Zweitens verstehen sich die Vertreter beider Bereiche als Erzieher des Volkes. Aus eben diesen Gemeinsamkeiten ergeben sich drittens eine Konkurrenzsituation sowie das Bemühen um formale und methodische Abgrenzung (Logos versus Mythos). Auch wenn diese Abgrenzung seitens der Philosophie von den Vorsokratikern (Xenophanes, Parmenides, Empedokles) über Platon (Mythen, Euthydemos als Komödie oder Satyrspiel, Dialogform), die alte Stoa (Zeus-Hymnus des Kleanthes, Medea-Zitate bei Chrysipp) ebenso wie über die jüngere Stoa (Senecas Tragödien, Balbus bei Cicero, De natura deorum II), den römischen Epikureismus (Lukrez, De rerum natura) bis hin zu Boethius durch poetische Ausdrucksformen und durch die Integration von Mythen häufig konterkariert wird, ist die Symbiose beider Disziplinen bisweilen mit einer ausdrücklichen philosophischen Dichterkritik verbunden. Analog zur Integration dichterischer Elemente in die philosophische Literatur greifen auch poetische Texte, die sich nicht als dezidiert philosophische Traktate verstehen, auf philosophische Modelle, Gedanken und Begriffe zurück – so ist z.B. Lucans Bürgerkriegsepos in weiten Teilen von einem stoischen Weltbild getragen. 

In beiden Fällen stellt sich die Frage nach den Gründen: Warum wählen manche Philosophen gerade die Dichtung als Darstellungsform, die im Epos und im Drama ursprünglich fiktionalen bzw. kultisch-mythischen Inhalten vorbehalten ist und die in der antiken Poesie Formen des uneigentlichen Sprechens, der Allusion oder der Metapher der logischen Begriffsentfaltung und Gedankenführung vorzieht? Wie geht philosophische Dichtung mit der Herausforderung um, sowohl der inhaltlich-philosophischen Ebene als auch der dichterischen Form gerecht zu werden? Wie lässt sich mancherorts das Nebeneinander von philosophisch-rationaler Auseinandersetzung und poetischer Darstellung erklären, und welchen „Mehrwert“ bieten poetische Texte innerhalb der philosophischen Auseinandersetzung? Gibt es ein klar zu definierendes Verhältnis von literarischer Form, philosophischem Inhalt und (didaktischer, methodischer, politischer, apologetischer, psychagogischer, katechetischer usw.) Funktion? Welche konstruktiven Wege gehen antike Denker beim Umgang mit anstößigen Inhalten der Dichtung oder heiliger Schriften (vgl. die allegorische Deutung Homers durch den stoischen Grammatiker Herakleitos sowie die Allegorese und die Typologie Augustins hinsichtlich des Alten Testaments)? Und wie bestimmt sich andererseits das Ziel einer Re-Formulierung philosophischer Konzepte seitens der Dichter?

Von Interesse ist ferner die Doppelschau auf Literaturtheorien in Philosophie und Literatur, wobei hinsichtlich ersterer die Einbettung in das jeweilige philosophische System im Zentrum stehen soll. Das Verständnis des Wahrheitsbegriffs sowie der differierende Umgang mit Wahrheit, Wahrheitsanspruch sowie das Verhältnis von Wahrheit bzw. Wahrhaftigkeit und Fiktionalität in Dichtung, Philosophie, Rhetorik und Sophistik werden ebenfalls thematisiert.

Insofern die antike Dichtung erstens vielfach intoniert wurde, zweitens die Musik ebenso wie die Dichtung eine wichtige Rolle in den philosophischen paideia-Konzepten spielt und drittens die „antike Ästhetik“ (Büttner 2006) als Lehre vom Schönen neben der bildenden Kunst sowohl die Dichtung als auch die musikalische Harmonik und Rhythmik umfasst, sind auch philosophisch inspirierte musiktheoretische Texte relevant.

Dem durch das Christentum vollzogenen Paradigmenwechsel wird mit einem Blick auf die Nutzbarmachung und Kritik der klassischen lateinischen Literatur und Rhetorik durch Augustin (De civitate Dei, Confessiones,), das v.a. in De doctrina christiana vermittelte christliche Bildungsideal sowie die biblische Hermeneutik und Textkritik des Kirchenvaters Rechnung getragen.

Die Rezeption und Diskussion der antiken Literaturtheorie (z.B. die aristotelische Tragödientheorie) im lateinischen und arabischen Mittelalter, der Renaissance, bei Goethe, Lessing, Hegel und Derrida, die Wertschätzung und Kritik antiker Dichtkunst, das von der Antike inspirierte Wiederaufleben der poetischen und dramatischen Inszenierung philosophischer Inhalte (z.B. Nietzsche, Camus) sowie die aktualisierende Bezugnahme auf das antike moralische Selbstverständnis in Dichtung und Philosophie (Bernard Williams) runden das Themenspektrum der AG Philosophische Literatur – Literarische Philosophie ab.

Der Gründungsworkshop der Arbeitsgemeinschaft findet am 15./16. Februar 2018 an der FAU-Erlangen-Nürnberg statt. In der Folge sollen bundesweit Workshops an verschiedenen Universitäten im einjährigen Zyklus stattfinden.

Ansprechpartner:

PD Dr. Dagmar Kiesel

Institut für Philosophie

Arbeitsbereich Philosophie der Antiken und Arabischen Welt

Raum A4A3

Bismarckstraße 1

91054 Erlangen

dagmar.kiesel@fau.de

Dr. Christopher Diez

Institut für Alte Sprachen Klassische Philologie

Kochstr. 4 / 2

91054 Erlangen

christopher.diez@fau.de