Profil und Ziele

Nicht nur die Philosophie beginnt in der Antike, sondern auch die philosophisch-theoretische Reflexion über Bildung und Erziehung, Unterricht und Curriculum, Kindheit und Erwachsensein, Tugenderwerb und menschliche Formbarkeit. Doch die heutige Rezeption dieses Denkens ist ungleichmäßig, sowohl in der öffentlichen Wahrnehmung als auch in der Forschung. Einige antike Theoriestücke, wie etwa das Platonische Höhlengleichnis oder die Sokratische Maieutik, sind längst selbst zum Bildungsgut geworden und werden häufig zitiert, bis hin zu einer drohenden Überbeanspruchung. Andere pädagogisch-didaktische Denkanstöße der antiken Philosophie finden hingegen nur wenig Berücksichtigung und sind in ihrem systematischen Potential bisher allenfalls in Teilen erschlossen.

Vor diesem Hintergrund will die Arbeitsgemeinschaft das philosophisch-pädagogische und -didaktische Denken der Antike in seiner ganzen Vielfalt und gedanklichen Tiefe unverkürzt zum Gegenstand ihrer Forschungen machen.

 

Drei größere Gegenstandsbereiche lassen sich hierfür identifizieren:

- die antike Philosophie in ihrem didaktisch-pädagogischen Selbstverständnis, z.B. als einprägsame Lebensweisheit, als lehrbares Wissenssystem, als nachzuahmende Praxis oder als Einweihung in göttliche Geheimnisse;

- die antike Bildungstheorie, pädagogische Anthropologie und Philosophie der Kindheit (z.B. ethische und politische Theorien der Erziehung, des Tugenderwerbs und der moralischen Entwicklung; Moralpsychologie; Theorien der menschlichen Lebensalter) sowie die reale Erziehungspraxis;

- antike philosophiedidaktische Theorien und Konzeptionen, Entwürfe für philosophische Lehrgänge, Selbst- und Fremddarstellungen der philosophischen Schulen sowie der reale philosophische Unterricht.

Neben der Philosophie im engen Sinne sollen auch verwandte, angrenzende oder konkurrierende Disziplinen und Bildungskonzeptionen (z.B. die antike Rhetorik) thematisiert werden. Als Bezugszeitraum ist die gesamte Epoche von den Vorsokratikern bis zur Spätantike vorgesehen. Ferner soll auch die spätere Rezeption des antiken philosophisch-pädagogischen und -didaktischen Denkens bis hinein in die Gegenwart berücksichtigt werden. Wenn mit Blick auf die Antike die Disziplinbezeichnungen "Pädagogik" und "Didaktik" verwendet werden, ist der Anachronismus einer solchen Ausdrucksweise zwar zu berücksichtigen; jedoch können die gemeinten Gegenstände auf diese Weise für heutige systematische Fragestellungen in der Regel sachgerecht erschlossen und ferner dem interdisziplinären Austausch zugänglich gemacht werden.

 

Die Ziele der Arbeitsgemeinschaft sind:

- in historischer Absicht die philosophie-, wissenschafts-, ideen- und realgeschichtliche Erforschung der angeführten Themenfelder;

-  in systematischer Absicht die Erschließung der Theoriebestände und der reflektierten Praktiken der Antike für aktuelle Diskussionen und heutige Fragestellungen in Philosophiedidaktik, Bildungsphilosophie, Pädagogik, Didaktik der Alten Sprachen, Philosophie der Kindheit, Moralpsychologie und pädagogischer Anthropologie;

- in fachpolitischer Absicht die Verankerung bzw. Festigung der Stellung der antiken Philosophie in schulischen und akademischen Curricula.

 

Als Aktivitäten der Arbeitsgemeinschaft sind Workshops bzw. Tagungen in unterschiedlichen Formaten geplant, die ggf. auch in Publikationen münden können. Wer Interesse an der Organisation einer solchen Veranstaltung hat, kann sich gerne mit den Initiatoren der Arbeitsgemeinschaft in Verbindung setzen. Das Gründungstreffen ist für den Sommer 2022 als Präsenztreffen in Heidelberg geplant; je nach pandemischer Entwicklung wird es aber ggf. auch online abgehalten.

 

Organisatoren der Arbeitsgemeinschaft (in alphabetischer Reihenfolge):

Dr. Sascha S. Euler
Leibniz Universität Hannover
Institut für Philosophie
Lange Laube 6
30159 Hannover
sascha.euler@philos.uni-hannover.de

 

Prof. Dr. Torsten Hitz
Institut für Philosophie und Theologie
Abteilung Philosophie – Ethik
Pädagogische Hochschule Heidelberg
Postfach 104240
D-69032 Heidelberg
hitz@ph-heidelberg.de

 

Prof. Dr. Jörn Müller
Professor für antike und mittelalterliche Philosophie
Institut für Philosophie
Universität Würzburg
Residenzplatz 2
97070 Würzburg
joern.mueller@uni-wuerzburg.de


Laura Summa
Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften
Bonner Talweg 57
53113 Bonn
summa@drze.de